Raskolnikow und Putin

Als Putin seine „militärische Spezialoperation“ gegen die Ukraine startet, lese ich zufällig „Verbrechen und Strafe“ von Dostojewski.

Fjodor Dostojewskij: Verbrechen und Strafe . Roman in der Neuübersetzung von Swetlana Geier. Frankfurt am Main: Fischer, 2019.

Wie kann ein Mensch wie Putin einen derartigen brutalen Krieg beginnen? Was für ein Denken und welche Mentalität stecken dahinter?

Bei der Lektüre von Dostojewski sind mir dann ein paar überraschende sprachliche Ähnlichkeiten aufgefallen. Putin beklagt zum Beispiel, dass Russland vom Westen fremde Werte aufgezwungen werden, die zu einem Niedergang führen, da sie der Natur des Menschen widersprechen. Auch in dem Roman lässt Dostojewski keinen Zweifel, dass er den beschriebenen maroden gesellschaftlichen Zustand Russlands Mitte des 19. Jahrhunderts auf schlechte Einflüsse aus dem Westen zurückführt (vor allem die Deutschen kommen bei ihm grundsätzlich nicht gut weg und die Ideen der Frühsozialisten wie Fourier waren ihm ein Graus). Dostojewski selbst war Nationalist und machte keinen Hehl daraus, dass am russischen Wesen Europa genesen könnte. Raskolnikow begeht zwei Morde aufgrund seiner Theorie bzw.Ideologie, dass es zwei Klassen von Menschen gäbe, von denen die außergewöhnlichen als Übermenschen die Gesetze für die gewöhnlichen Menschen machen, aber selbst über den Regeln und Gesetzen stehen: “Die Außergewöhnlichen haben das Recht, jedes Verbrechen zu begehen und das Gesetz auf jede Weise zu übertreten.“ An vielen Stellen des Romans kam mir der Gedanke, dass ein Stück Raskolnikow auch in Putin steckt, der sich im Recht sieht, mit Gewalt russische Erde zurückzugewinnen und damit den westlichen Einflüssen zu trotzen.

SB, 9.3.2022

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